Heike Jastrow hat sich mit Hartnäckigkeit einen Traum erfüllt, Foto: Minack

 
15.11.2021

Wenn man etwas wirklich will, darf man nie aufgeben

In einem Alter, indem manch einer schon an die bevorstehende Rente denkt, kann Heike Jastrow beruflich endlich das machen, was sie schon immer wollte – mit Menschen arbeiten.

Heike Jastrow ist hartnäckig. Rückschläge können sie kurzzeitig aufhalten aber nicht aus der Bahn werfen oder vom eigentlichen Ziel abbringen. Als sie mit 16 eine Ausbildung zur Facharbeiterin für Schreibtechnik begann, wusste sie eigentlich, dass das die falsche Wahl war. Noch heute, erzählt die 57-Jährige, bekäme sie beim Anblick eines klassischen Büros eine Gänsehaut. Kindergärtnerin wäre sie gern geworden. Das scheiterte daran, dass sie nicht singen konnte.  

Von älteren Menschen fühlte sie sich schon als junges Mädchen angezogen, kam mit ihnen beim Spazierengehen schnell ins Gespräch. Doch so etwas zum Beruf zu machen, das war in ihrer Jugend nicht möglich.

Etwas mit Kindern

In den 80-er Jahren brachte sie drei Kinder zur Welt. Dann fand sie Arbeit als Schulsachbearbeiterin. „Wenigstens etwas mit Kindern“, erinnert sich die großgewachsene blonde Frau heute. Doch die Freude darüber hielt nur kurz. Die politische Wende kam dazwischen. Die Planstelle fiel weg. Für kurze Zeit konnte sie wieder Mut schöpfen und als ABM-Kraft einen Schulklub aufbauen und betreuen.

Ein neuer Mann und zwei weitere Kinder mischten ihre Prioritäten neu. Dass der Neue nicht wollte, dass seine Frau berufstätig ist – heute schüttelt sie den Kopf darüber, dass sie sich drein gefügt hat. 

2005 zog sie mit dem neuen Mann ins Rheinland, 2010 kam sie ohne ihn, nur mit ihrer 10-jährigen Tochter wieder zurück nach Berlin. Beruflich versuchte sie sich im Bekleidungsverkauf. Das blieb ein Intermezzo, wohl auch, weil tief in ihr drin immer noch der Wunsch bestand, etwas mit älteren Menschen zu machen. 

Eine Woche auf Probe

Inzwischen gab es das Berufsbild „Betreuungsassistent“. Diese Qualifizierung wollte sie unbedingt machen. Ab 2014 ging sie immer wieder zum zuständigen Amt, um das finanziert zu bekommen. Und genauso oft hieß es dort „nein“! Stets waren die Gründe dafür andere. Fast fünf Jahre sollte es dauern, bis sie an eine Mitarbeiterin geriet, die ihre Hartnäckigkeit anerkannte. Die schlug ihr vor, in einer Pflegeeinrichtung eine Woche Probe zu arbeiten. Bekäme sie von dort eine positive Einschätzung, würde das Amt die mehrmonatige Qualifizierung finanzieren.

„Das musste man mir nicht zweimal sagen“, schaut Heike Jastrow zurück. Sofort machte sie sich auf den Weg zum Kursana Domizil in Marzahn. Nur eine Woche Probe arbeiten? Von dieser Idee war Sabrina Völker, dort Leiterin der Betreuung, nicht begeistert. Üblich seien zwei, besser drei Wochen. Doch sie spürte den unbedingten Willen der Frau, die ihr mit diesem ungewöhnlichen Wunsch gegenüber stand und sagte zu.

 Lebendige Geschichtsbücher

„Ich wusste schon nach dem ersten Tag, ‚das ist es, das will ich machen, das macht mir Freude‘“, erinnert sich Heike Jastrow. Sabrina Völker hat das auch gespürt und die frisch ausgebildete Betreuungsassistentin im Januar 2019 eingestellt. Für Heike Jastrow ging damit ein Traum in Erfüllung. Vor allem die Biographiearbeit hat es ihr angetan. „Die älteren Bewohner sind wie lebendige Geschichtsbücher. Ich kann mit ihnen gemeinsam in die Geschichte eintauchen“, erklärt Heike Jastrow das. 

Sie habe noch keinen Tag bereut, hier im Kursana Domizil zu arbeiten. Endlich könne sie von sich behaupten ein gutes Gefühl zu haben, wenn sie am Abend nach Hause komme. Die Bewohner würden es sehr anerkennen, wenn man sich für ihr Leben, für die Zeit, in der sie noch am aktiven Leben teilgenommen haben, interessiert und Kenntnisse darüber hat.  „Ich bekomme so viel zurück“, schaut sie zufrieden. Anders als in der Pflege, wo vieles einem engen Zeitplan folgen muss, habe sie die Möglichkeit, sich mal etwas mehr Zeit zu nehmen, wenn sie spüre, ein Bewohner hat Gesprächsbedarf.

„Ich bin so froh, dass ich gekämpft und nicht aufgegeben habe“, sagt die engagierte Betreuungsmitarbeiterin zum Ende des Gesprächs und schiebt mit einem Lachen nach: „Singen darf ich hier auch, obwohl ich das wirklich nicht kann.   

 

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