Kunsttherapeutin Elisabeth Broich bespricht mit Bewohner Oswald Palijczuk (84) den nächsten Arbeitsschritt an seiner Skulptur.©Kursana

 
20.05.2017

„Steine, die Mut machen“

In der wöchentlich stattfindenden Kreativwerkstatt erproben sich die Bewohner vom Kursana Domizil Bremen im künstlerischen Ausdruck.

Immer dienstags hört man aus der „Sonnenstube“ leises Kratzen und Schleifen. Gesprochen wird nur wenig, wenn ein knappes Dutzend Senioren hochkonzentriert um den langen Tisch sitzt und jeder an seinem Speckstein raspelt, feilt oder poliert. Manchmal hält jemand inne und betrachtet sein Werk kritisch von allen Seiten. „Ich habe ja keine Ahnung, was das einmal werden soll“, sagt Wilfried Maron, der in der Runde den größten Rohling bearbeitet, nicht ohne Stolz. Beharrlich rundet der 63-Jährige mit einer Feile die Ränder des rötlichen Steins ab. Der Neuzugang in der „Kreativwerkstatt“ ist erst seit drei Wochen dabei, und die Freude am kreativen Werkeln steht ihm ins Gesicht geschrieben.
„Unsere Bewohner können hier  mit allen Sinnen erleben, dass sie noch in der Lage sind, etwas zu schaffen“, erklärt Kunsttherapeutin Elisabeth Broich, die als Leiterin der sozialen Betreuung im Kursana Domizil Bremen arbeitet und seit acht Jahren die Werkstatt-Runde mit Teilnehmern im Alter zwischen Mitte fünfzig und Anfang neunzig anleitet. Durch die handwerkliche Ausrichtung ist das Angebot auch für Männer, die sich sonst bei den Freizeitangeboten der Senioreneinrichtung eher rarmachen, interessant. „Dabei ist es für viele anfangs eine große Herausforderung, sich auf so einen kreativen Prozess einzulassen. Diese Generation hat nie gelernt, sich abseits vom zweckgebundenen Handeln Zeit für sich zu nehmen. Geschweige denn, sich künstlerisch zu erproben.“
Elisabeth Broich begleitet den Prozess, indem sie Fragen stellt, die Phantasie anregt und Mut macht. „Wichtig ist, das Tun nicht zu bewerten und mit dem Bewohner zusammen zu erforschen, was er zum Ausdruck bringen möchte“, sagt sie. „In der ruhigen, fast meditativen Atmosphäre, die beim Arbeiten am Stein entsteht, kommen manchmal Gefühle wie die Angst vorm Alter oder vorm Tod an die Oberfläche, über die wir hier sprechen können. So sind schon einige Handschmeichler als sogenannte `Mut-Steine´ entstanden: Zu ihnen können die Bewohner im Alltag greifen, wenn sie in einer schwierigen Lebenslage Kraft brauchen.“
Zum Abschluss zeigt jeder sein Tagewerk in die Runde und formuliert ein paar Gedanken, die ihn heute beschäftigt haben. Der mineralhaltige Schleifstaub landet als Dünger für Blumenerde in einem Eimer, die Specksteine werden mit Namensschild versehen und auf ein Tablett gestellt. In der Mitte steht bereits eine wunderschöne Skulptur, bei der zahlreiche feine Stufen in den Stein geschliffen wurden. Der mittlerweile verstorbene Bewohner hat sie nicht mehr ganz fertig stellen können. „Meine Himmelsstufen“ hat er sein Kunstwerk genannt.

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