Die Musiker von Klang & Leben begeisterten das Publikum bei ihrem Konzert mit alten Liedern aus den 1950er Jahren.

 
02.11.2015

Musik macht lebendig

FRANKFURT. Mit viel Harmonie, einer Portion Humor und flotten Melodien im Gepäck sind Senioren in der Kursana Villa Frankfurt jetzt bei einem Konzertnachmittag zu einer musikalischen Zeitreise in die 1940er bis 60er Jahre aufgebrochen. Auch wenn die ältere Generation manches Lied vielleicht jahrzehntelang nicht gehört oder gesungen hat, so entwickelt sich doch schon nach zwei, drei Songs eine starke Chorgemeinschaft, die sich äußerst testsicher erweist.

Die meisten der rund 60 Senioren im Publikum singen, klatschen zum Takt und einige schlagen rhythmisch mit der Hand auf Rollstuhl und Rollator. Die Profi-Musiker des Projektes „Klang & und Leben“ erzählen von dem charmanten und galanten Herrn, von dem es heißt: „Du bist kein Held, nur ein Mann, der gefällt, Bel Ami.“ Oder es wird ganz romantisch, „wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt.“ Spätestens beim Refrain „Bella, bella, bella Marie, ich komm´ zurück morgen früh“ sitzt das 75-plus-Auditorium wieder mit im Boot und singt gemeinschaftlich „vergiss mich nie“. 

Es sind die Erinnerungen an den ersten Italienurlaub und die Fahrt mit dem Volkswagen, der über die Alpen läuft und läuft und läuft. Erinnerungen an den Tanzabend beim Schützenfest oder die Feier in der lauen Sommernacht in jener Zeit, als die Wirtschaft wie im Wunderland brummte und der heute 84-jährige Sänger und Schauspieler Bill Ramsey sein Publikum mit rauher Stimme und Hits wie Souvenirs, Pigalle oder Zuckerpuppe aus der Bauchtanzgruppe begeisterte. 

Beim Konzert in der Kursana Villa schaffen es die vier Musiker von Klang & Leben, viele Momente aus den 60er Jahren wieder lebendig zu machen. Selbst an Demenz erkrankte Senioren kommen die Texte locker über die Lippen und sie blühen auf. Diese Lebendigkeit, dieses Erwachen möchten Sänger Oliver Perau und seine Kollegen Andreas Meyer (Piano), Graziano Zampolin (Gitarre, Mundharmonika) und Jens Eckhoff (Gitarre, Cajon, auch bei „Wir sind Helden“) erreichen. 

Das Projekt „Klang & Leben“ ist in erster Linie Musik, doch die Background-Stimmen sind stark, das heißt der Hintergrund des Konzertes ist es, insbesondere dementiell erkrankte Senioren zu erreichen und emotional zu berühren. Das gelingt dem Quartett in der Komfort-Pflegeeinrichtung in der Eschersheimer Landstraße recht schnell. Schon nach wenigen Minuten ist das Eis gebrochen und die Damen in der ersten Reihe applaudieren spontan, wenn Oliver Perau vor ihnen niederkniet und fragt: „Kann denn Liebe Sünde sein?“ Die musikalische Tour führt rund um den Globus unter anderem nach Kalkutta, das am Ganges liegt, nach Paris an der Seine oder nach Kairo am Nil, so wie es Vico Torriani einst gesungen hat. 

„Ganz Paris träumt von der Liebe“ erklingt im Foyer der Kursana Villa. Zwei Damen aus der ersten Reihe folgen gern der Aufforderung der beiden Musiker Oliver Perau und Graziano Zampolin und tanzen. Ein paar Meter weiter hat sich eine kleine Gruppe von Frauen vor dem Treppenaufgang versammelt, sie tanzen und singen: „Immer nur vor Glück, wer verliebt ist in die Liebe, kommt nach Paris zurück“. „Das sind die Lieder meiner Jugend“, sagt ein 81-jähriger Besucher des Konzertes, der mit seiner Frau in die Kursane Villa in die Eschersheimer Landstraße gekommen ist. Beide haben vor ein paar Tagen ihren 53. Hochzeitstag gefeiert. 

Zu vielen Liedern fallen dem Paar Geschichten und Fragen ein. „War Bill Ramsey nicht als US-Soldat in Frankfurt stationiert? Ja, und er trat in Frankfurter Clubs sowie im Jazzkeller auf. Die Musiker sagen, sie möchten, dass ihre Songs positiv in die Erlebenswelt demenziell veränderter Menschen eingebunden werden und sich das Wohlbefinden der Senioren steigert. 

Diese Ziele von Klang & Leben werden auch von Prominenten wie etwa Tatort-Schauspieler und Musiker Jan Josef Liefers unterstützt. Außerdem begleitet das Institut für Musikphysiologie und Musikermedizin der Hochschule Hannover das Projekt wissenschaftlich. Ein Ergebnis sehen die Musiker bei jedem ihrer Konzerte. „Es wird viel gelacht, es entsteht ein Grundvertrauen und das Gefühl der Geborgenheit“, sagt Gitarrist und Demenzcoach Graziano Zampolin.

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