Hannelore Wulff (84) hat erst mit Ende 70 mit dem Schreiben begonnen. Bis heute hat sie drei autobiographisch geprägte Romane verfasst. ©Kursana

 
05.04.2017

Den inneren Reichtum entdecken

Zwei Bewohner der Kursana Residenz Hamburg haben ihre Lebenserinnerungen in Büchern veröffentlicht.

Im Alter von 80 Jahren hat Hannelore Wulff ihren ersten Roman veröffentlicht. „Ich bin nach dem Tod meines Mannes in ein tiefes Loch gefallen“, sagt die 84-Jährige. „Ich war einsam und die verdrängten Kriegserinnerungen kamen hoch. Da habe ich mich aufgerafft und als eine Art Beschäftigungstherapie einen Roman niedergeschrieben, der eng an mein Leben angelehnt ist.“ So erzählt „Überall fremd oder Die Macht der Gefühle“ auch mehr als eine klassische Liebesromanze: Das Buch dokumentiert als ein Stück Zeitgeschichte Erlebnisse, in denen sich Frauen der Kriegsgeneration wiederfinden werden.
Doch Hannelore Wulff ist in ihrem Leben durch extreme Höhen und Tiefen gegangen: Geboren in Königsberg in Ostpreußen, wurde sie als Zwölfjährige bei der Flucht  vom Rest der Familie getrennt. Aus der DDR floh sie nach Berlin, wo sie als Mannequin entdeckt wurde und die Modelle von Heinz Oestergaard, dem bedeutendsten deutschen Modedesigner der Nachkriegszeit, auf den Laufstegen präsentierte. Als Ehefrau eines uruguayischen Diplomaten lernte sie das High Society-Leben kennen, begleitete ihn in seine Heimat Montevideo und floh dort wiederrum in einer Nacht und Nebel-Aktion aus dem streng konservativen Familienverband. Durch ihre guten Spanischkenntnisse wurde sie zur Übersetzerin und arbeitete sich bis zur Dolmetscherin bei der weltweit agierenden Schiffswerft Blohm und Voss in Hamburg hoch. „Ich habe viel Glück im Leben gehabt und viel erreicht, doch im Inneren habe ich mich immer nach Geborgenheit und einem Häuschen im Grünen mit Apfelbaum im Garten gesehnt“, erzählt sie.
Ganz anders verlief der Werdegang als Autor bei Conrad H. von Sengbusch (81), der wie Hannelore Wulff im vergangenen Jahr in die Kursana Residenz Hamburg gezogen ist. Der Diplom-Ingenieur für Elektro- und Nachrichtentechnik arbeitete 30 Jahre beim NDR-Fernsehen als Gruppenleiter für Tonmesstechnik bei Außenübertragungen und Reportagen. Er begann in den 1970er Jahren, Artikel für technische Fachzeitschriften zu schreiben. Es folgten Fachbücher zum Aufbau eines Feldbackofens, zum kunstgewerblichen Arbeiten mit Tauwerk und Chroniken über Industriebetriebe, die bei der  Radiotechnik Geschichte schrieben. „Man sollte als Autor nur über Dinge schreiben, bei denen man sich auskennt“, sagt Conrad H. von Sengbusch, der sich seinen Themen mit akribischer Recherche und technischer Genauigkeit widmet.
Im Ruhestand begann der 1936 in Riga geborene Nachfahre einer berühmten baltischen Reederfamilie seine Lebensgeschichte aufzuschreiben und veröffentlichte Teile davon 2004 im Buch „Schiffelektriker – Werft, Schiffe, Seeleute, Funkbuden. Jugend in den goldenen 1950er Jahren“. „Einige Leute sagten mir, dass sie die Geschichten sehr ergriffen haben“, sagt Conrad H. von Sengbusch. Heute erfreut er mit seinen Episoden über die Jugend in Cuxhaven, die regelmäßig  im Hauskurier der Senioreneinrichtung erscheinen, seine Mitbewohner.
„Wer schreibt, der kennt keine Langeweile und bleibt geistig fit“, meint Conrad H. von Sengbusch. „Ideen kommen über mich, und schon sitze ich wieder am Computer und recherchiere.“ Die Freude beim Schreiben sei am größten, wenn er sich der eigenen Vergangenheit widme, sagt er. „Mittlerweile interessieren sich auch meine beiden Töchter und die Enkelkinder dafür. Vielleicht werden sie unsere Familienchronik später ja einmal fortführen.“
Hannelore Wulff wird in diesem Jahr ihren dritten autobiographisch geprägten Roman „Der Tod fragt nicht warum“ als ebook veröffentlichen und schließt nicht aus, dass ihr Leben weiteren Stoff für Literatur liefern wird. „Ich habe im Leben nicht die Geborgenheit und Sicherheit gefunden, die ich gesucht habe. Aber durch das Schreiben habe ich meinen inneren Reichtum entdeckt“, sagt sie. „Dadurch habe ich mit vielen Schicksalsschlägen meinen Frieden machen können.“    

Zur Übersicht