Lieselott Naether, Erika Tornieporth und Johannes Naether (v.l.) drehen beim Rollator-Tanz beschwingt ihre Runden. © Kursana

 
26.11.2015

Flotter Foxtrott am Rollator

Beim „Rollator-Tanz“ lernen die Bewohner der Kursana Residenz Hamburg, mithilfe ihrer Gehhilfe wieder das Tanzbein zu schwingen.

Konzentriert reiht sich Johannes Naether mit seinem Rollator in den Kreis ein. Zusammen mit 17 Seniorinnen, die wie er auf die Gehhilfe angewiesen sind, dreht der 90-Jährige im großen Theatersaal der Kursana Residenz Hamburg zu flotter Musik die Begrüßungsrunde: Wann immer sich die Blicke von Bewohnern treffen, nicken sie sich freundlich zu und schenken sich ein Lächeln. Das „Warmlaufen“ am Rollator zu Beginn der gemeinsamen Tanzstunde hat durchaus einen ernsten Hintergrund. „Schließlich sollen wir uns gleich beim Tanzen nicht gegenseitig über den Haufen fahren“, schmunzelt der einzige Mann in der Runde.

Als Schnupperangebot startete die Niendorfer Senioreneinrichtung in diesem Sommer den Kurs „Rollator-Tanz“. Die große Nachfrage und Begeisterung der Teilnehmer hat Kursleiterin Daniela Bott überwältigt. „Die Bewohner haben richtig Ehrgeiz entwickelt, an einer Choreographie zu arbeiten“, berichtet die 43-jährige Mitarbeiterin der Sozialen Betreuung. „Am Ende jeder Stunde sehe ich nur strahlende Gesichter und eine deutlich verbesserte Körperhaltung. Auch der Rollator als Tanzpartner scheint immer besser akzeptiert zu werden: Die ersten Teilnehmer schmücken ihn für die Stunde schon mit Blumen und bunten Tüchern.“

Neben der Stärkung der Muskulatur und einem effektiven Training für Koordination, Gleichgewicht und Gedächtnis schult Rollator-Tanz auch spielerisch den Umgang mit der Gehhilfe. Viele der rund zwei Millionen Menschen, die in Deutschland einen Rollator nutzen, tun sich anfangs mit ihrem Hilfsmittel schwer. „Als ich vor einem halben Jahr den Rollator bekam, war das für mich eine Katastrophe“, gibt Johannes Naether zu. „Ich war mein Leben lang Leistungssportler und habe es geliebt, mit meiner Frau zu tanzen. Plötzlich war ich durch meine Schwindelanfälle auf die Gehhilfe angewiesen. Das konnte ich nicht akzeptieren.“  Es kostete Ehefrau Lieselott Naether (90) einige Überredungskunst, bis ihr Mann sie zum Rollator-Tanz begleiten wollte.

Während sie schon geübt mitmacht, braucht Johannes Naether noch eine Menge Konzentration, um der Schrittkombination folgen zu können. Zum Foxtrott „Ragtime“ laufen die Senioren jetzt  im Takt: Nach acht Schritten tippen sie achtmal mit der Fußspitze auf, nach der nächsten Schrittfolge wird achtmal geklatscht, dann wird achtmal im Rhythmus mit der Hüfte gewackelt. Daniela Bott sagt aus der Kreismitte die Tanzfiguren an und zählt laut den Takt mit. Während beim ersten Durchgang viele noch angestrengt mitzählen, werden Schritte und Hüftschwung mit jeder Runde  beschwingter.

„Tanzen wirkt ja erst durch gute Körperhaltung. Es hat viel mit Posen zu tun“, sagt Inge Wilkens (85), die es früher im Verein bis zum Goldenen Tanzsportabzeichen gebracht hat. „Als wir 1992 nach einem Schlaganfall meines Mannes mit dem Tanzen aufhören mussten, war das für mich schlimm.“ Dass sie heute trotz starker Arthrose mithilfe ihres Rollators wieder das Tanzbein schwingen kann, macht die alte Dame glücklich. „Tanz ist Lebensfreude“, sagt Inge Wilkens. „Und dann bringen die Tanzstunden auch noch die Erinnerung an rauschende Ballnächte zurück.“

Sylvia Scheerer vom Allgemeinen Deutschen Tanzlehrer Verband ADTV hat den Rollator-Tanz 2011 für Menschen mit eingeschränkter Mobilität entwickelt.  An der Kursana-Akademie unterrichtete sie in diesem Frühjahr Mitarbeiter aus verschiedenen Senioreneinrichtungen des Berliner Unternehmens. Die Tanzstunden folgen einem festen Muster aus Aufwärmen, Sitz-Tanz und zwei Tanzeinheiten im Stehen. „Es ist natürlich wichtig, alle Teilnehmer im Blick zu haben und darauf zu achten, dass sich niemand überfordert“, sagt Daniela Bott, die den Tanzkurs künftig teilen wird, um sich jedem Teilnehmer intensiver widmen zu können.

Nach der Pause üben sich die Senioren im Wiegeschritt und lernen eine Technik, um sich elegant mit dem Rollator im Kreis drehen zu können. Der neue Tanzschritt weckt bereits die Vorfreude auf die nächste Stunde. Noch im Foyer stehen die Teilnehmerinnen zusammen, tauschen sich aus und rekapitulieren die Tanzschritte. Auch Johannes Naether will mit dem Rollator-Tanz weitermachen. „Nicht zu fassen, nach so vielen Jahren tanze ich wieder“, sagt er und strahlt.

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