Sabine Grotkopp

 
02.09.2021

Die innere Ruhe

Sabine Grotkopp begann vor 40 Jahren im Kursana Domizil. Heute leitet sie den Bereich für Bewohner die an Demenz erkrankt sind - und sie findet zu vielen einen Zugang.

„Ich komme und er lächelt“, sagt Sabine Grotkopp. Und nein, das ist keine Liebeserklärung – oder vielleicht doch – das ist ein Arbeitserfolg. Dann hat es die 62jährige geschafft, einen Zugang zu dem Bewohner zu finden, ihm eine Reaktion zu entlocken, ihn für einen Moment glücklich zu machen. Denn eigentlich leben die Bewohner in ihrer ganz eigenen Welt zu der kaum jemand Zugang findet. 

Sabine Grotkopp leitet jenen Bereich im Kursana Domizil Stavenhagen in dem an Demenz erkrankte Bewohner leben.  Diese Hirnkrankheit bewirkt, dass die alltäglichen Gewohnheiten soweit zurückgefahren sind, dass sie praktisch für alle Tätigkeiten Hilfe benötigen.

„Alles was sie von Kindheit an gelernt haben ist weg,“ bringt sie auf den Punkt. Und sie hat noch ein eindrückliches Bild für die Krankheit. „Nehmen sie ein Bücherregal und ein Buch nach dem anderen fällt um, das kann eine Zeit dauern, aber sie fallen.“ Manche verharren bei einer Lebenserinnerung - einer schönen und guten oder auch in einer furchtbaren.  So erklärt sie es auch den Angehörigen, denen es oft schwerfällt sich in diesen Prozess hineinzudenken und sich nicht eingestehen – und dass sollten sie tun – dass sie Vater oder Mutter nicht mehr allein betreuen können. Und dann die Frage, warum erkennt mich die Eltern nicht? Auch da erklärt Sabine Grotkopp sehr nüchtern: „Für Vater oder Mutter sind wir jetzt die Familie“. 

Vor 40 Jahre begann sie, hier im Kursana Domizil als Wohnbereichsleiterin zu arbeiten. Zuvor war Krankenschwester in der Unfallchirurgie in Waren. Sie brachte also eine gewisse Coolness, Besonnenheit und Ruhe für Menschen in besonders schwierigen Situationen von Waren mit nach Stavenhagen. 1981, erinnert sie sich, war von Demenz kaum die Rede. „Allenfalls fanden wir es lustig, wenn mal ein „Buch im Regal“ umfiel. Doch die Demenz schlich sich massiv in das Leben ein. Im Jahr 2000 registrierte das Robert-Koch-Institut 935 000 Falle, 2018 waren es schon 1,6 Millionen. Für Stavenhagen bedeutete dies, dass das Domizil eine eigenen Wohnbereich etablierte und für Sabine Grotkopp, dass sie ein Studium der Gerontopsychiatrie absolvierte. Aber das Wissen sei nur ein Punkt, man müsse eine innere Ruhe für das Betreuen dieser Bewohner haben, die schwer zugänglich sind und ganz in ihrer eigenen Welt leben, schätzt sie ein. Jeder könne das nicht und dafür habe sie Verständnis. Deshalb arbeite sie neue Kollegen sehr lange und gründlich ein, dann läuft es nachher umso besser. Leider sind es viel zu wenige, die einzuarbeiten sind. Um Kontakt zu den Bewohnern zu finden ist es ihrer Meinung nach wichtig viel zu reden, praktisch jeden eigenen Handschlag beim Waschen oder Anziehen zu kommentieren. „Stumme Pflege gibt es nicht,“  resümiert sie kurz und klar. Deshalb war es auch in den harten Zeiten der Pandemie so schlimm für die Bewohner, die mussten auf ihren Zimmern bleiben, bekamen das Essen gereicht – praktisch jeder persönliche Kontakt lag darnieder. Und Sabine Grotkopp selbst befand sich in Arbeitsquarantäne. Das hieß Arbeitsplatz-Wohnung, Wohnung-Arbeitsplatz und dass über Wochen. Aber da ist auch ihre innere Ruhe, die sie das meistern ließ. Wenn sie ihren Dienst beendet, dann tankt sie auch diese Ruhe bei einer Tasse Kaffee und der Tageszeitung in ihrem Garten. 
 

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